Literatur: Anker


Er  hält meine Hand. Ich mache meine Augen zu und lasse mich führen. Probiere den Kopf auszuschalten und mehr wahrzunehmen. Das Rascheln der Blätter unter meinen Füßen, der Wind, der durch die Bäume pfeift, wie er mit seinem Händedruck mich beruhigt und mir Halt gibt. Doch auf einmal höre ich noch etwas anderes. Ein sehr leises, aber dennoch vorhandenes Dröhnen kommt über unseren Köpfen näher. Ich ahne, was es ist, bekomme Panik  und beginne zu Rennen.


Da er noch meine Hand hält, ziehe ich ihn mit vom Weg hinunter. Vergeblich suche ich Schutz zwischen den Bäumen, doch diese sind kahl geworden und die bunten Blätter liegen längst auf der Erde.
Früher hat mich das beruhigt, die bunten Blätter haben mich angelacht und ich konnte klar denken. 
Alleine.
Ohne Beobachtung und in vollkommener Sicherheit.
 

Mittlerweile hat sich das geändert. Es wurde Sommer, Herbst und jetzt geht es langsam auf den Winter zu. Monatlich fliegen mehr Luftwaffen über den Himmel und somit versteckte ich mich mehr und mehr. kauerte mich in Ecken, um nicht entdeckt zu werden. Die Male, an denen ich in den Wald kam, wurden weniger; weniger Zeit und Raum fü mich, um mich frei zu fühlen.
 

Doch heute war er da. Er ließ mich nicht los, fragte auch nichts und folge mir nur. Als ich eine Art Vorsprung fand, zog er mich in seine Arme und hielt mich. Mir rollten die Tränen über die Wangen. Zu oft schon hatte ich dieses Geräusch gehöt, hatte diese Furcht gespürt. Aber war das das einzige? Wahrscheinlich trauerte ich den Gefühlen hinterher, die ich früher hier empfunden habe. Häufiger hatte ich versucht, die alten Gefühle hervorzurufen, doch jedes Mal wurde ich von einer Welle überrollt. Die Welle von Ungeborgenheit, die immer größer wird. Doch die Erinnerungen verblassen. Es kann nichts mehr wie früher werden, denn die Zeit läuft und mit ihr verändert sich die Welt, Probeme und Menschen. Verdrängung und der Versuch Abzuschalten gelingen nicht.


Früher waren Familie und Freunde die Stütze, die jeoch immer mehr zerbricht. Die Welt, der Krieg zerstöt alles. Familie stirbt und um zu überleben, wird man vom Gejagten zum Jäger. Spaltet und genzt sich ab, kann den wenigsten vertrauen.
In einem der Flugzeuge über meinem Kopf könnte mein Bruder sitzen, der mich umbringen könnte. Der Gedanke bringt mich fast um. Nach einiger Zeit verebben meine Gedanken und ich öffne die Augen einen Spalt.


Ich drehte den Kopf zu ihm, schaute ihm in die Augen und war plötzlich so froh, dass er da war. Die Ruhe, die er ausstrahlte war wie ein Anker, an den ich mich klammerte. Seine liebevollen Worte stützen und besänftigten mich.
Und als er mich küsst, bleibt die Zeit stehen und ich kann für einen Moment vergessen.
 


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