Literatur: Strahlend



Meine Mama hatte Geburtstag. Ich war acht Jahre alt und stand vor meinem Kleiderschrank und sie hatte mir gesagt, ich solle anziehen, was immer ich möchte. Also stand ich da und schaute mir jedes Teil einzeln an. Weil ich so lange brauchte, kam Papa zu mir und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich erwiderte ja, aber wollte von ihm wissen, was er denn am schönsten finden würde, da ich mich nicht entscheiden konnte. Er machte die Schranktüren einfach zu und daraufhin schaute ich ihn bloß fragend an. "Meinst du, dass das wichtig ist?", fragte er mich. Ohne Zögern erwiederte ich: "Natürlich, es ist doch Mamas Geburtstag, da muss ich doch hübsch aussehen." Davon war ich immer ausgegangen. Es sei doch wichtig, was Mamas Freundinnen denken. Doch er schüttelte nur leicht den Kopf. "Hör zu, es ist wichtig, was ich dir jetzt sage. Wenn du von innen strahlst, bist du immer hübsch. Sei glücklich, mutig, stark und immer du selbst. Wenn du das weißt, wirst du nach und nach lernen, dass das jeder sehen kann, wenn du das möchtest..Knips dein Licht von innen an. Stell dir eine Glühbirne vor. Wenn die aus ist, ist sie unscheinbar, doch wenn man den Schalter betätigt, erhellt sie das ganze Zimmer. Finde deinen Schalter."


Ich war etwas verwirrt und verstand nicht ganz, nickte aber und prägte mir die Worte genau ein. Mein Papa gab mir einen Kuss auf die Stirn und als ich mich auf das Bett setzte ging er ganz leise aus dem Zimmer. Als ich lag, schaute ich meine Sterne an der Decke an und versuchte meinen Schalter zu finden, doch irgendwann gab ich frustriert auf. Mama rief mich. Ich stand auf, zog irgendetwas aus dem Schrank, zog es über den Kopf und lief die Treppe hinunter.


Zehn Jahre später starb mein Vater an Krebs. Auch wenn er mir noch so fehlte, konnte ich mich immer an seine Worte erinnern und langsam immer mehr damit anfangen. Meine Lebensfreude hatte ich auch nach seinem Tod nicht verloren, da es nicht überraschend kam. Es machte mich nur stärker, lehrte mich zu kämpfen und die Zeit zu nutzen.


Ich war stark, aber nicht aufzuhalten. Seine Worte führten mich immer weiter und höher. Auch wenn der Schalter noch nicht klick gemacht hat, stand er auf der Kippe.



(fiktiv)

3 Kommentare

  1. Die Geschichte ist total rührend, und deine Ausstrahlung auf jedem einzelnen Bild ist wundervoll! Du hast so etwas inspirierendes an dir! <3
    Liebe Grüße, Lea, http://notizenbuch.blogspot.com

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  2. So ein schöner und berührender Text!
    Ich finde in deinen Bildern sieht man richtig was für eine Ausstrahlung du hast.

    Liebst, Marie Celine
    http://marieceliine.blogspot.de

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  3. So schön :) Dein Vater hat dir so unfassbar tolle Werte beigebracht und es ist toll, dass du dich an den Wortlaut erinnern kannst.

    Mir gefällt es auch total, dass du auf dem letzten Bild dann so richtig strahlst! Als ob die Bilder eine Entwicklung darstellen :)

    Alles Liebe, May von Mayanamo

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